Der ANIMATIONSFILM «Sonntagsmusiken» bringt Ihnen den berühmten Berliner Musiksalon im Hause Mendelssohn näher. Die wichtigsten Berliner Lebensstationen und -situationen von Felix Mendelssohn Bartholdy in einem KURZTEXT und dazu passende MUSIKBEISPIELE stimmen Sie auf unser Festivalthema ein.
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Buchstabenschubser
Animationsfilm «Sonntagsmusiken» (Vimeo)
im Auftrag des Mendelssohn-Hauses Leipzig, 2017
Nicht etwa Berlin, sondern Hamburg steht am Anfang unserer Geschichte der Berliner Jahre. Felix (*1809) und Fanny (*1805) Mendelssohn Bartholdy kamen zwar als erste von vier Kindern von Abraham und Lea Mendelssohn in Hamburg auf die Welt, die Familie zog jedoch, bedingt durch die französische Besetzung, 1811 nach Berlin um.
Die ersten Jahre im Haus der Grossmutter legten den Grundstein für die herausragenden künstlerischen Karrieren von Fanny und Felix. Hier erhielten die musikalisch hochbegabten Kinder Musikunterricht von ihrer Mutter, welche die Bach-Tradition in ihrer Familie hochhielt (was im frühen 19. Jahrhundert wohl eher eine Ausnahme war). Die musikalische Ausbildung intensivierte sich für Fanny und Felix mit Unterricht in Komposition bei Carl Friedrich Zelter, in Klavier bei Ludwig Berger und auf der Violine bei Carl Wilhelm Henning.
Zunächst veranstaltete Lea Mendelssohn einzelne Soiréen – so die «musikalischen Winterabende» – in der Wohnung am Hackeschen Markt. 1821 wurden dann die «Sonntagsmusiken» ins Leben gerufen: Zu seinem 12. Geburtstag hatte sich Felix gewünscht, seine eigenen Werke vor Publikum aufzuführen. Dies stand einerseits ganz in der Tradition der Familie, sonntags zu musizieren und speziell die Geburtstage mit Musik zu feiern, andererseits markierte Felix‘ 12. Geburtstag die allererste Ausgabe einer langen Reihe von Sonntagsmusiken.
Für diese und die folgenden Sonntagsmusiken wurden professionelle Musiker:innen der Königlichen Kapelle aufgeboten, die Mendelssohns luden Gäste ein, Felix dirigierte eigene Singspiele, Sinfonien und Konzerte, Fanny spielte Klavier und sang den Solopart – für die Eltern bot sich reichlich Gelegenheit, ihre begabten Sprösslinge zu präsentieren.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für zwei Klaviere und Orchester E-Dur (YouTube)
Komponiert zum Geburtstag von Fanny und aufgeführt am 7. Dezember 1823 mit Fanny und Felix am Klavier im Rahmen einer Sonntagsmusik
Bertrand Chamayou, Jean-Frederic Neuburger, Orchestre de Paris, Leitung: Louis Langrée
Im Rahmen der musikalischen Ausbildung der Kinder fanden diese Matinéen daraufhin alle 14 Tage statt. Bis zu 200 Gäste besuchten die Sonntagsmusiken; oftmals setzten sich die Gäste auch in angrenzende Räume, froh, überhaupt einen Platz gefunden zu haben.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Streichoktett Es-Dur op. 20 (YouTube)
Komponiert und uraufgeführt im Herbst 1825 in einer Sonntagsmusik
Vilde Frang, Julian Rachlin, Rick Stotijn und weitere
Im Sommer 1825 bezog die Familie Mendelssohn Bartholdy das ehemalige Reckesche Palais in der Leipziger Strasse 3. Zur prachtvollen Villa gehörte ein riesiger Garten, in dem sich die vier Kinder frei bewegen konnten. Ein wichtiger Teil dieses grosszügigen Anwesens war der Saal im grossen Gartenhaus, der für Konzerte, Lesungen und Theaterstücke für bis zu 300 Gäste bestens geeignet war.
Fanny Hensel
«Hero und Leander», dramatische Szene für Sopran und Orchester (YouTube)
Entstehung 1832, uraufgeführt an einer ihrer Sonntagsmusiken (YouTube)
Chen Reiss, Royal Concertgebouw Orchestra, Leitung: Klaus Mäkelä
In diesem Rahmen entwickelten sich die Sonntagsmusiken zu einem Zentrum des gesellschaftlichen Lebens im Berlin der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Geschwister präsentierten eigene Kompositionen, wobei z.B. der Sommernachtstraum durchaus vom märchenhaften Garten inspiriert sein dürfte, aber es kamen auch Werke befreundeter Komponisten zur Aufführung. Fanny spielte Bach, Beethoven und Hummel, oft wurde Mozart, Haydn, Händel und weitere bekannte Komponisten aufgeführt. Als Instrumentalist:innen traten neben den Mendelssohns selbst hauptsächlich Musiker:innen auf, die zum näheren Bekanntenkreis gehörten. Regelmässig gaben Virtuosen, die auf Durchreise in Berlin waren, bei den Sonntagsmusiken ihr Können zum Besten.
Ganz Berlin strömte sonntags zu den Mendelssohns, Berühmtheiten aus Kunst und Kultur, Wissenschaft und Politik, darunter Carl Maria von Weber, Alexander von Humboldt, Johann Nepomuk Hummel, Georg Friedrich Hegel, Heinrich Heine, Charles Gounod, Niccolò Paganini, Robert und Clara Schumann, Bertel Thorvaldsen, Bettina von Arnim und Franz Liszt. Auch Mitglieder des Preussischen Hofes wurden ab und an bei den Matinéen gesehen.
Fanny Hensel
Ouvertüre in C-Dur (YouTube)
Entstehung 1832, Uraufführung 1834
Uraufgeführt an einer ihrer Sonntagsmusiken
Royal Northern Sinfonia, Leitung: Dinis Sousa
Als Felix Berlin im Frühjahr 1829 verliess, um für längere Zeit auf Reisen zu gehen, wurden die Sonntagsmusiken vorläufig pausiert. Fanny und ihr Mann Wilhelm Hensel bezogen nach ihrer Heirat das Gartenhaus des Anwesens. Doch schon nach zwei Jahren nahm die neue Hausherrin die Familientradition wieder auf und organisierte ab jetzt die Veranstaltungen selbst. Sie engagierte Musiker:innen, stellte einen Chor zusammen und führte ihre eigenen Werke auf.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Die erste Walpurgisnacht op. 60 (MWV D 3) (YouTube)
Erstaufführung der 1. Fassung im Herbst 1832 in einer Sonntagsmusik
Sophie Harmsen, Werner Güra, Florian Boesch, SWR Vokalensemble, SWR Symphonieorchester, Leitung: Pablo Heras-Casado
Das Musikzimmer im Gartenhaus der Leipziger Strasse 3 wurde zu Fannys künstlerischem Hauptwirkungsort. Es war der einzige Ort, an dem sie sich wirklich frei ausleben konnte. Der Zugang zum öffentlichen Konzertleben und die Publikation ihrer eigenen Werke blieb ihr hingegen, auch zu Gunsten von Felix‘ Karriere, verwehrt – die Familie hatte sich dagegen ausgesprochen. Viele ihrer Werke landeten direkt nach der Niederschrift in der Schublade. Erst kurz vor ihrem Tod publizierte sie gegen den Willen ihres Bruders einige wenige Werke. Die meisten ihrer Kompositionen wurden jedoch erst posthum veröffentlicht.
Ganz Kind des Bildungsbürgertums, bereiste Felix Mendelssohn Europa. Er wurde bald für seine Musik gefeiert, Wunderkind und Götterliebling genannt. Nur im heimatlichen Berlin blieb ihm die Anerkennung versagt. Carl Friedrich Zelter, Direktor der Sing-Akademie Berlin (welcher Felix seit Kindheit angehörte), führte ihn, wie seine Mutter, an das beinahe vergessene Bach’sche Werk heran und ermöglichte 1829 die glanzvolle Wiederaufführung der Matthäus-Passion. Mendelssohn gelang damit ein Geniestreich. Der grosse Erfolg beflügelte und motivierte ihn, dem Publikum weitere Werke Bachs zugänglich zu machen. Doch nach Zelters Tod bewarb sich der erst 23-jährige Mendelssohn erfolglos um die Nachfolge als Direktor der Sing-Akademie. Es kursierten abwertende Kommentare zu Mendelssohns jüdischer Herkunft und angeblich mangelnder Eignung.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Johann Sebastian Bach: «Erbarme Dich, mein Gott» aus der Matthäus-Passion
in der Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdy (YouTube)
1829 aufgeführt mit Interpreten der Berliner Singakademie Netherlands Bach Society
Die Enttäuschung über die Nichtwahl mag eine nicht unerhebliche Rolle beim Entscheid, Berlin den Rücken zu kehren, gespielt haben, denn in Düsseldorf, am Leipziger Gewandhaus, dessen Leitung er mit 26 Jahren übernahm, und in vielen europäischen Städten (allein England bereist er zehnmal) war Mendelssohn als Komponist und einer der ersten Dirigenten im heutigen Sinne äusserst erfolgreich. Seine sozial engagierte, kommunikative Persönlichkeit und seine Reise- und Bildungserfahrungen spiegeln sich in der Vielfalt seines Lebenswerkes.
Nach ungemein erfolgreichen Jahren fand Felix Mendelssohn 1842 zurück nach Berlin. Friedrich Wilhelm IV., König von Preussen, ernannte ihn zum Preussischen Generalmusikdirektor. Der König hatte ambitionierte Pläne, Berlin zur Kunsthauptstadt im deutschsprachigen Raum zu machen, und Mendelssohn erhoffte sich, nebst dem Gewandhaus, eine dauerhafte Anstellung in «seinem» Berlin.
Enthusiastisch ging er die Reform der Königlichen Akademie der Künste an und übernahm den Domchor. Allerdings scheiterten seine ehrgeizigen Pläne an einer in seinen Augen zögerlichen Umsetzung. Auch zerriss er sich im Hin und Her zwischen Leipzig und Berlin und entschied sich nach nur rund dreijährigem Engagement, auch aus gesundheitlichen Gründen, für Leipzig – und gegen Berlin.
Felix Mendelssohn Bartholdy
Hochzeitsmarsch aus der Schauspielmusik «Ein Sommernachtstraum» op. 61 MWV M 13 (YouTube)
Komponiert 1842 (Ergänzung zur bestehenden Ouvertüre von 1826), Erstaufführung vor geladenen Gästen am 14. Oktober 1843 unter der Regie von Ludwig Tieck. Öffentliche Uraufführung 18. Oktober 1843 in Berlin
hr-Sinfonieorchester, Estnischer Philharmonischer Kammerchor, Miah Persson, Golda Schultz, Leitung: Paavo Järvi
Das kurze Gastspiel im Dienst des Preussischen Hofs sollte sein letztes in Berlin sein. Fortan konzentrierte sich Mendelssohn ganz auf sein Leipziger Gewandhaus und besuchte Berlin nur, um seine geliebte Schwester, die er in Briefen zärtlich «liebste Fenchel» nannte, und ihre äusserst populären Sonntagsmusiken zu besuchen.
Felix Mendelssohn Bartholdy
«Jauchzet dem Herrn, alle Welt» WoO 28 MWV B 45 (YouTube)
Fertig komponiert am 1. Januar 1844, uraufgeführt am 7. Januar 1844 vom königlichen Domchor im Berliner Dom.
Ensemble Musica Sacra Dresden, Leitung: Karl Hänsel
Fanny hatte zwar gesundheitliche Probleme. Trotzdem traf die Nachricht ihres plötzlichen Todes im Jahr 1847 ihren Bruder Felix völlig unerwartet. Die starke Verbundenheit der beiden Geschwister fand ein abruptes Ende, Felix litt massiv unter dem Verlust seiner Schwester und Freundin. Gezeichnet von diesem Verlust, starb Felix Mendelssohn Bartholdy wenige Monate später, am 4. November 1847, im Alter von nur 38 Jahren. Posthum kehrte er von seiner letzten Wirkungsstätte Leipzig nach Berlin zurück. Die berühmten Geschwister fanden ihre letzte Ruhestätte im Familiengrab der Mendelssohns in Berlin.
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